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Die ungeahnte Leichtigkeit des Seins

Möchten Sie auch manchmal völlig losgelöst von der Erde durch Raum und Zeit schweben? Dann sind Sie reif für Aerial Yoga.

Der Traum, sich vom schweren, niederdrückenden Dasein zu lösen, sich in die Lüfte aufzuschwingen, ist uralt. Eine griechische Sage erzählt, wie Ikarus sich Flügel aus Federn und Wachs baute, um damit zu fliegen. Sie verbrannten bekanntlich, als er der Sonne zu nah kam. Sein Befreiungsversuch von den diesseitigen, irdischen Zwängen scheiterte kläglich.

Längst können wir mit der Concorde in kurzer Zeit über den Atlantik fliegen. Der Erdanziehungskraft entkommen wir dennoch nicht. Eher schon wird die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit beim Drachenfliegen oder Paragliding erfüllt. Unberechenbare Abwinde machen diese Sportart jedoch zu einem gefährlichen Abenteuer. Die meisten Menschen ziehen es deshalb vor, lieber auf den harten Boden der Tatsachen zu bleiben. Wer dennoch, ohne ein hohes Risiko eingehen zu müssen, die Leichtigkeit des Seins spüren möchte, dem bleibt deshalb nur die Möglichkeit, durch immerwährende Bewusstseinsarbeit und Meditation geistigen Ballast abzuwerfen. Der Körper allerdings profitiert davon weniger, auch wenn dadurch der Alterungsprozess zumindest etwas verzögert wird. Spätestens im mittleren Alter bekommt fast jeder die Auswirkungen der Schwerkraft zu spüren. Die Bandscheiben bereiten aufgrund der dauernden Komprimierung zunehmend Beschwerden und so manches Gelenk schmerzt aufgrund der Dauerbelastung. Erst seit Kurzem gibt es eine Möglichkeit, wie man all diese Beschwerden lindern und zugleich ohne Gefahr für Leib und Seele, losgelöst von der Erde im Hier und Jetzt schweben kann. Sie kommt aus der Welt des OM, heißt Aerial Yoga und ist im wahrsten Sinne ein Geschenk des Himmels.

Der große Traum vom Fliegen wird wahr

Dank eines riesigen trapezförmigen Tuches, das an zwei dicken, selbstverständlich tüv-geprüften Haken von der Decke baumelt, kann Yoga seit neuestem auch in der Luft praktiziert werden. Dabei schlingt man es sich mal um die Hüften, mal um die Schultern oder um die Füße. Geübtere können auch ihren Kopf hineinlegen und damit die ungeheure Last abgeben. Die Variations- und Spielmöglichkeiten sind schier unermesslich. Auch als Hängematte eignet sie sich vortrefflich. Man kann sich ins Tuch setzen oder sich gar ganz hineinlegen, den Vorhang vorziehen und dann sanft hin und herschaukeln lassen.

Das Tuch ist ein Traumpartner

Aerial Yoga ist ein bisschen wie Urlaub vom Alltag. Ganz egal welche Yoga-Haltung man einnimmt, das Tuch trägt das ganze oder zumindest einen Großteil unseres Körpergewichts. Aufgrund dieser Entlastung werden insbesondere Knochen und Gelenke geschont. „Das Tuch“ erklärt Dhanya Daniela Meggers, die im Meridian Spa in Hamburg Eppendorf den Kurs leitet, „fungiert als Partner“. Es trägt, stützt und entlastet den Körper bei der Durchführung aller Asanas. Ein wenig schwierig ist nur der Anfang, der Einstieg ins Tuch. Schließlich ist es auch noch früh am Morgen, und ich bin noch nicht ganz wach. Ich muss erst noch lernen, wie ich das Tuch richtig doppelt lege oder wie ich es greife, um mich in die richtige Position zu bringen. Wer das erst einmal verstanden hat, wird sich mit diesem Partner schnell anfreunden.

Die gesundheitlichen Effekte sind groß

„In spiritueller Hinsicht geht es in erster Linie beim Aerial Yoga darum, zu lernen, loszulassen und Vertrauen zu entwickeln“ erklärt Dhanya. „Der Kontrollverlust kann bei Anfängern durchaus Ängste, ja sogar Panik auslösen“, berichtet die ausgebildete Yoga- Lehrerin aus ihrer Praxis. Vor allem, wenn man in die Umkehrhaltungen geht, die einen großen Part ihres 90 minütigen Kurs-Programms einnehmen. Doch gerade diese Kopfüber-Stellungen sind besonders wohltuend für den Körper. Dabei werden die Bandscheiben entlastet und die Wirbelsäule gedehnt. Vor allem für Menschen, die unter Rückenbeschwerden leiden, sind diese Asanas besonders geeignet. Die tiefer liegenden Haltemuskeln werden gekräftigt und die inneren Organe massiert. Ein weiteres Plus: Wer fünf Minuten mit dem Kopf nach unten hängt, wird sich wundern, wie mental erfrischt er plötzlich ist. Während die Ausführung einer Stellung am Boden oft mühselig ist, fallen einem die Übungen mit dem Tuch viel leichter. Ohne Anstrengung, großen Kraftaufwand, fast mühelos gelangen die 15 Teilnehmerinnen in die jeweiligen Stellungen und führen sie mit spielerischer Leichtigkeit aus. Die Jüngste ist 20 Jahre alt, die älteste Mitte 60. Auffällig ist, dass die Übenden die verschiedenen Haltungen richtig genießen und vielleicht auch darum lange in einer Position verharren können. Ob bei der Grundasana „Ribs Hang“ oder beim „Hip Hang“, bei der man kopfüber wie ein Faultier nach unten hängt – der Spaßfaktor ist eindeutig höher als bei jeder anderen Yogaform. Innerer Widerstand regt sich nicht, konzentriert folgt jede Kursteilnehmerin Dhanyas wohl klingenden Anweisungen. Zwischendurch wird auch ein Mantra gesungen. Das „Om Shri Saraswatiye Namaha“, das Dhanya vorsingt, in das wir einstimmen und mit dem wir die Göttin der Kunst und Musik, die Fließende anbeten sollen, beginnt im Körper wie in einem Instrument zu resonieren. Das leichte Vibrato scheint tatsächlich den Bewegungsfluss zu fördern.Man schwingt vor und zurück oder im Kreis und gleitet einfach so dahin, von einer in die andere Stellung. Während wir uns wie ein Delphin im Wasser tummeln oder bei der Asana „Die Taube“ durch die Luft schweben, fordert Dhanya uns nicht nur einmal auf, die Weite des Raums zu nutzen. Man freut sich über die neue, wieder gewonnene Bewegungsfreiheit. Tatsächlich sollen diese dreidimensionalen Übungen nicht nur die Muskeln dehnen und stärken, sondern auch unser inneres Kind berühren, indem wir einfach mal so viel Platz wie möglich – und nicht wie nötig – beanspruchen.

 

Aerial Yoga spricht das innere Kind in uns an und weckt die Freude

Die 44-Jährige Yoga-Lehrerin Dhanya, – dieser Name bedeutet übrigens so viel wie „die Gesegnete“ – hatte immer schon davon geträumt, in den Asanas zu hängen. Als sie von dem neuen Anti-Gravity-Yoga las, das der amerikanische Akrobat Christopher Harrison entwickelt hatte, flog sie nach New York und ließ sich in einem anderen Institut zur Unnata Aerial Yoga Lehrerin ausbilden. Zurück in Deutschland stellte sie ein eigenes deutlich spiritueller betontes Programm zusammen. Seit einem Jahr nun bietet sie in ihrem Ananda Aerial Yoga Institut in Hamburg- Lokstedt Personal Training an. Als einzige Lehrerin bildet sie in Deutschland auch Trainer nach ihrem Konzept aus. Mittlerweile gibt es daneben bereits eine ganze Reihe anderer Studios in Deutschland, die sich auf Aerial- und Anti-Gravity-Yoga spezialisiert haben. Dabei basieren sie jeweils auf unterschiedlichen Yoga-Stilen. Aerial Yoga weckt die spielerische kindliche Lust und bringt Lebendigkeit und Spaß in den grauen Alltag. Außer Menschen, die unter Kniebeschwerden oder Bluthochdruck leiden, Probleme mit dem Augendruck haben oder schwanger sind, kann man es daher nur empfehlen; Yoga-Einsteigern ebenso wie den langjährigen Yoga-Praktizierenden. Vor allem Menschen, die wenig Unterstützung im Alltag erfahren und unter Dauerbelastung leiden, werden mit dem Tuch als Partner uneingeschränkt ihre helle Freude haben. Denn dieser erweist sich garantiert als zuverlässig und vertrauenswürdig. Die Beziehung mit ihm ist definitiv tragfähiger als so manche andere.

erschienen in „bewusster leben“

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